
Mawil – The Singles Collection | Reprodukt | 136 Seiten, farbig, Hardcover | EUR 29,00 | © Reprodukt

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Eine Eigenschaft die ich bei Mawil sehr schätze ist seine Eigenironie. Er ist sich seine Rolle als brillentragender Nerd sehr bewusst, und demzufolge gibt es viele Alltagsszenen, in denen dies thematisiert wird, z.B. bei seinem Umgang mit dem weiblichen Geschlecht (wobei auch da gern der Hase aus dem Hut gezaubert wird, als Platzhalter), oder seine körperliche Unterlegenheit gegenüber den Bullys, die das Leben einem in den Weg stellt.
Die Themenauswahl ist sehr oft vom persönlichen Tagesgeschehen geprägt, wie z.B. bei seiner Mandeloperation oder von den guten Vorsätzen, die man sich am Neujahrsmorgen noch auferlegt, die aber bald wieder vergessen sind. Die Grenze zwischen Philosophie und Neurose ist dabei fließend, aber immer unterhaltsam und mit einem Augenzwinkern. Doch auch ernste oder traurige Elemente sind dabei wie ein Strip zum Totensonntag, der mich zu Tränen gerührt hat.
Auch an der Aufmachung gibt es nichts zu meckern, die über 130 Seiten im Plattenformat als Hardcover werden sehr wertig präsentiert, und man hat einen sehr langen Lesegenuss. Ich würde mir wünschen, in diesem Format auch die Sonntagsseiten der anderen Künstler zu sehen, mit den Mawil sich abwechselt. Ein großer Dank gilt auch dem Tagesspiegel, der statt dem 1000. Nachdruck von alten Klassikern mit der Comic-Kolumne auch deutsche Künstler fördert, während andere Zeitungen Perlen wie Naomi Fearns Zuckerfisch absetzen.
Der Band ist für Leser, die bisher noch keinen Band von Mawil gelesen haben, ein sehr guter Einstieg, da hier das komplette Repertoire von autobiografisch bis zur Tierfabel enthalten ist. Für mich persönlich (und das sage ich nicht nur, weil wir ein Jahrgang sind, nur auf der anderen Seite von Zaun) ist und bleibt Mawil einer der bedeutendsten deutschen Künstler der Gegenwart. Punkt.

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